Die Drei treffen sich einmal pro Woche nachmittags um drei. Plauderstündchen bei Kaffee und Kuchen? Denkste – weit gefehlt! Auf dem Tisch steht Likör – aus eigener Produktion! Und Kuchen – ebenfalls eigene Herstellung.
Das Dreigestirn sind Helene und Trudchen, beide schon lange verwitwet, siebzig plus, unternehmungslustig und Dorothea, Ende sechzig, verheiratet, pragmatisch und immer in Aktion. Sie kennen sich seit Jahrzehnten, haben gemeinsam Höhen und Tiefen durchlebt, sind lebenserfahren, altersweise und manchmal albern wie Teenager.
Helene ist eine Großstadtpflanze, Trudchen lebte bis kurz vor Kriegsende in Mecklenburg und Dorothea ist in ihrem Herzen ein echtes Landei. Alle Drei haben eine große Affinität zur Natur, zu Kräutern, zum Schrebergarten, Eingewecktem und überhaupt Selbstgemachtem. Gebackenes ist eine Spezialität von Dorothea, Trudchen liebt besondere Liköre und Helenes Leidenschaft sind Rumtöpfe und in Alkohol konserviertes Obst.
Selbst angesetzter Knoblauchschnaps ist das Lebenselixier der drei Grazien und ein tägliches Muss zum Frühstück. „Täglich ein Schnäpschen davon und du öffnest deinen Gästen am fünfundneunzigsten Geburtstag noch selbst die Tür! Frischer Knoblauch, eingelegt in Hochprozentigem, ein paar Wochen ziehen lassen, erspart Zipperlein und den Doktor!“ Davon ist Helene überzeugt und ihre Freundinnen mittlerweile auch.
Industriell hergestellter Eierlikör kommt bei den reifen Mädels nicht ins Glas, den machen sie selbst! Die frischen Eier für den gleichnamigen Likör besorgt Dorothea vom Bauernhof ihres Vertrauens. Der Alkohol kommt vom Apotheker. Er und die Drei kennen sich schon jahrelang persönlich. Trotzdem legte der Pharmazeut anfangs seine Stirn in Falten, als die Damen ihren Kaufwunsch vortrugen. Mittlerweile bekommt Herr Pillendreher regelmäßig eine Flasche für den Eigenbedarf und von ihrem neuen Hobby erzählten. Manchmal ruft sogar seine Frau bei Helene an und bestellt zu Ostern eine Pulle zusätzlich und in der Weihnachtszeit erkundigt sie sich, ob der Rumtopf schon „reif“ ist.
„Rumtopf sind die gesammelten Werke des Obstgartens“, sagt Helene. Erdbeeren sind die ersten, Pflaumen die letzten Früchtchen und erst im Advent darf von dieser Köstlichkeit probiert werden. Ihre Rumtöpfe hütet sie bis zum „Anstich“ wie einen wertvollen Schatz. Ähnlich verhält es sich mit den beschwipsten Früchtchen, die müssen im Alkohol erst richtig „reifen“. Dann sind sie eine wahre Köstlichkeit zum Pudding, Grießbrei, Milchreis anderen Leckereien oder einfach pur – mal so nebenbei. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Aprikosen über Birnen, Kirschen, Pflaumen bis hin zu etlichen Beerensorten. Zimtäpfel in Calvados, Birnenlikör à la Helene und Kirschen in Amaretto – sie erfindet immer wieder Neues und notiert alle Rezepte in einem kleinen Heftchen.
Dorothea ist eine begnadete Bäckerin, die vorzügliche Kuchen, Torten oder anderes Gebäck zaubert – je nach Jahreszeit und Gusto. Das Köstlichste an ihren Künsten ist aber, dass ihre Kaloriensünden nicht nur aus Mehl, Zucker, Sahne und Obst bestehen, sondern auch aus Alkohol oder zumindest aus einem alkoholgeschwängertem Irgendwas. In der Weihnachtszeit ist der kalte Hund mit Rum ihr absoluter Renner, und im Sommer die Aprikosen-Wodka-Torte mit Whiskysahne. Schwarzwälder Kirschtorte, Apfeltorte mit Rumrosinen, Napfkuchen mit Amaretto, Käsekuchen mit Aprikosenlikör – ihr Repertoire ist unerschöpflich.
Trudchen, ihre Promenadenmischung Teddy und Helene machen regelmäßig lange Spaziergänge durch Feld und Flur von denen sie so manchen Schatz mitbringen. Wilde Brombeeren, Waldmeister, Schlehen, Holunder, Hagebutten, Nüsse und was die Natur sonst noch so bietet, wird durch Zugabe von Hochprozentigem zu ganz besonderen Likören verarbeitet.
Im Laufe der Jahre verfügen die betagten Ladys über eine stattliche Fangemeinde. Eingeladen werden sie auch sehr gerne, und zwar nicht nur, weil sie unterhaltsam und lustig sind sondern ein ganz klein wenig auch wegen ihrer leckeren Mitbringsel.
Ach ja, da ist noch was Erwähnenswertes: Zu den drei älteren Semestern hat sich übrigens noch ein Oldie gesellt, der bereits auf dem Abstellgleis stand. Dorotheas Enkel – ein total verrückter Computerfreak – hat den drei rüstigen Rentnerinnen einen alten Laptop für ihre Zwecke aufgerüstet. „Und Computer bringt er uns auch bei“ freut sich Helene! Nun kann sie alle Rezepte elektronisch erfassen, bearbeiten, abrufen und demnächst will sie einen eigenen Blog im Internet unter dem Namen „ganz schön olle Früchtchen“ oder so ähnlich schreiben.