„…genau! – Reingeschissen und kräftig umgerührt!“

Mit diesen Worten endete die „Vorlesung“ von Professor Dr. Victor Smetacek. Denn das war nämlich seine Antwort auf die Frage, ob es wohl sein könnte, dass die Menschen der Natur vielleicht arg ins Handwerk gepfuscht haben, die einer der Anwesenden stellte.

Victor Smetacek, Professor für Bio-Ozeanographie am Alfred-Wegener – Institut Helmholtzzentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.

Jede Wette mache ich, dass den ersten Teil der Ausführungen des hochkarätigen Wissenschaftlers nur eine geringe Anzahl der etwas fünfzig Zuhörer und Zuhörerinnen verstanden hat. Da ging’s nämlich hauptsächlich um das Theoretische. Was hat’s mit dem Klima auf sich, wie hat es sich aus wissenschaftlicher Sicht im Laufe von tausenden von Jahren dargestellt, mal Heißzeit, mal Eiszeit, wie funktionieren die Weltmeere, die Ozeane und viel, viel mehr. Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse untermauert von Statistiken, visuellen Darstellungen, Temperaturkurven – was eben ein weltweit anerkannter und geschätzter Meeresbiologe und Planktonspezialist so vorzuweisen hat, wie Professor Smetacek.

Viele Interessierte, die an diesem Abend in die Jacobs Uni kamen, wurden vermutlich an ihre längst vergangene Schulzeit erinnert – an Chemie, Physik, Biologie und Mathematik – Fächer, in denen sie mal mehr, mal weniger glänzten. Oder vielleicht auch an ihre aktive Zeit im Schuldienst, als sie Wissen zu diesen Themen vermittelten und benoteten.

Böse Zungen grummelten übrigens leise, dass die Veranstaltungsleitung nur Menschen zum Vortrag zuließ, die einen Seniorenausweis vorzeigen konnten.

Der Professor ist ein Erlebnis, sein fundiertes Fach- und Sachwissen phänomenal, sein verbal warnend-erhobener Zeigefinder an jeden einzelnen Menschen unüberhörbar.

Die Meere sind krank, die Atmosphäre keineswegs in bestem Zustand, die Pole schmelzen, die einst schneebedeckten Berggipfel zumeist ohne Schnee und Gletscher vielfach eisfrei.

Und dann erst einmal die Ozeane!

Das blaue Meer, tiefblau, glitzernd im Sonnenschein, beruhigend für Geist und Sinne, azurblau geliebt von vielen – ist genau genommen eine Wüste, eine Meereswüste. „Da fehlt die Vegetation“, sagt der Wissenschaftler.

Ein türkisblaues Meer hingegen ist im Vergleich ein Garten Eden mit Pflanzen, Tieren und Fischen, was eben unter Wasser so alles dazugehört – inklusive der Kieselalgen. Kieselalgen sind für Meere optimal und lebenswichtig. Sie sind wahre Künstler und verwandeln Kohlendioxid in Sauerstoff.

Sie sind im Wasser wie Grünzeug und Bäume an Land.

Man sieht sie nicht, es sind Einzeller, unterm Mikroskop gleichen sie Schneekristallen, berichtet der Wissenschaftler.

Zum Leben und Vermehren brauchen diese Kieselalgen Eisen und da wo’s so schön blau ist, fehlt es ihnen an Eisen und die Algen kümmern halb leblos, ziemlich verhungert und fast tot vor sich hin.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Professor Smetacek aus seinen Expeditionen und Forschungen lauten: „Wenn es gelänge, das Wachstum dieser Algen durch die Zugabe von Eisen anzuregen, dann wäre das, als würde man Abermilliarden winzige Maschinen ins Wasser setzen, die das Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen. Die Decke würde dünner, die Erde kühler.“

Hört sich doch irgendwie ganz einfach an – oder? Eisen ins Meer und die Welt samt Klima sind gerettet. Kinder und Jugendlichen könnten sich Schulschwänzen und Freitagsdemos sparen, Politiker wären eine große Sorge los und endlose Diskussionen, die seit Jahren im Konjunktiv geführt werden, wären vom Tisch und der Klimawandel kommt in die Aktenkammer.

Das Heilmittel für unsere vergiftete Atmosphäre, zur Rettung der Umwelt, zur Glückseligkeit der Menschheit ist gefunden!

Oder etwa doch nicht?

Fest steht derzeit nur, dass die Gelehrten sich streiten. Die einen sagen so, die anderen sagen es anders. Es wird viel geforscht, probiert und zum Glück gibt die Wissenschaft keine Ruhe und hoffentlich finden sie bald eine anwendbare und vor allem hilfreiche Lösung.

Doch wenn sich dann der Schreiberling im Vortragssaal mal umschaut, dann fällt ihm auf, dass die Jugend hier leider nicht vertreten ist.

Warum eigentlich nicht? Müsste doch absolut ihr Ding sein. Passt doch zu den Freitagsdemos wie’s Ärschle aufs Eimerle. Das geht doch die Jugend an! Ist doch immerhin ihre Zukunft, denn ihnen gehört doch ab demnächst die Welt alleine!

Die marode Welt, die die Älteren ihnen hinterlassen und deren verantwortungsloses Verhalten der vergangenen Jahrzehnte sie freitags neuerdings so massiv auf die Straßen treibt und das sie anprangern. Wo sind sie denn?

Schade, dass sie nicht da waren, an diesem Abend, auf dem Campus der Jacobs Uni. Aber man kann nun mal nicht alles haben!

11.04.2019