Muttertag ist besser als Valentinstag
Muttertag ist immer am zweiten Sonntag im Wonnemonat Mai. Deshalb steht dieser Tag zu Ehren aller Mütter auch in jedem Kalender, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
Mütter gibt es viele: leibliche Mütter, Großmütter, Adoptivmütter, Stiefmütter, Ziehmütter, Schwiegermütter und neuerdings auch Leihmütter.
Mütter gibt es in allen Altersklassen. Von achtzehn bis achtzig könnte die Norm sein und abweichend davon gibt es auch noch jüngere und weitaus ältere Mütter. All diese Mütter haben Kinder und die wiederum ganz unterschiedliche Vorstellungen, womit sie der lieben Mama am Muttertag eine Freude bereiten wollen. Da spielen Wünsche der Mutter manchmal eine Rolle und auch der Geschmack des Kindes und bei großen Kindern hat der Geldbeutel ein Mitspracherecht.
Kleine Kinder lassen die Buntstifte tanzen und malen Bilder, manche mit viel Fantasie und anderen fehlt es daran. Lernen Kids noch Gedichte zum Muttertag? Vielleicht ist auch ein gebasteltes Dankeschön heutzutage noch Usus; früher stickten Mädels Nadelkissen und Jungs übten sich an Laubsägearbeiten. Der Flieder aus Nachbars Garten oder aus öffentlichen Parkanlagen kam zu allen Zeiten gut an und wurde von Mädchen und Jungen gleichermaßen bevorzugt.
Rechtzeitig macht auch der Einzelhandel auf den näher rückenden Muttertag aufmerksam und das geschieht nicht zuletzt über die Fernseh- und Zeitungswerbung. „Hey Leute, nicht vergessen: Am achten Mai ist Muttertag!“
Muttertag ist besser als Valentinstag, besagt die Marktforschung. Valentinstag ist am vierzehnten Februar und nur was für Verliebte und Liebende. Das wiederum betrifft nur eine begrenzte Anzahl von Menschen – leider, aber so ist es nun mal. Da aber in der Regel jeder Mensch eine Mutter hat, ist das ein überaus einträglicheres Fressen für Geschäftsleute vieler Branchen.
Blumengeschäfte bieten Topfpflanzen und Blumensträuße an, die genau für diesen Anlass dekoriert zum Kauf stehen. Bunte Schleifen, gefaltete Papierkrausen, Flatterbänder, Schleifchen und kleine Schildchen mit Aufschriften „Der lieben Mutter“ zieren die nicht immer ganz frische Blütenpracht. In den kleinen Biedermeiersträußen mit der weißen Spitzenrüsche können extra zum Muttertag Blumen verarbeitet werden, die sonst in der Ökomülltonne landen würden. Die Gerbera bekommt als Stütze einen Draht durch den Stängel gebohrt und eine voll aufgeblühte Rose fände an anderen Tagen keinen Käufer mehr. Spezielle Blumenübertöpfe sind mit kleinen Putten bemalt, die engelsgleich und lieb die Augen gen Himmel schlagen. Von kitschig bis kreativ ist die Bandbreite ellenlang. Lediglich die Preisgestaltung stößt an die Obergrenze.
Parfüms, Antifaltencremes und Badelotionen werden in meist herzförmige rote Schachteln verpackt, dicke rote Schleifen dekorativ rumgeschlungen und in allen Größen und Preislagen in den Schaufenstern entsprechender Drogerien und Parfümerien angeboten. Bei „Douglas“ zum Beispiel dreht sich alles nur um das Wohl der Mütter. Kulturtaschen mit und ohne Inhalt, Badelatschen und Duschschwämme, komplette Sets zur Maniküre und andere Utensilien warten darauf, gekauft zu werden und in Mutters Badezimmer Einzug halten zu können.
Besonders originell sind Haushaltsgeräte, die der Hausfrau – sprich Mutter – den Alltag erleichtern sollen. Von der Multifunktionsküchenmaschine bis hin zum Allroundstaubsauger und der Mikrowelle eignet sich fast alles zum Muttertagsgeschenk. Männer kaufen und verschenken diese technischen Errungenschaften ausgesprochen gerne an ihre Mütter und an die Mütter ihrer Kinder. Männer halten diese modernen Heinzelmännchen auch nicht für unpersönliche Gaben an die zeitgemäße Mutter.
Pralinenschachteln sind auch beliebte Muttertagsmitbringsel und darauf setzen auch die Hersteller. Abertausende von Kalorien werden in schmuckvolle Dosen, Tüten und edle Kartonagen verpackt. Ihrem Inhalt sieht man nicht sofort an, dass sie schon bald nach dem Verzehr kleine Pölsterchen auf die Hüften so manch einer Mutter zaubern können. Das sind Geschenke, von denen die Beschenkte sozusagen mit viel Glück lange was haben kann.
Wer es gefühlvoll oder schnulzig liebt, kann in den Musikgeschäften entsprechende Angebote finden, denn der Muttertag ist schließlich auch ein Tag für Großmütter. Und die reife Generation der Mütter und Großmütter erinnert sich bekanntlicherweise gerne an die gute alte Zeit und an ihre Weisen. Daher werden speziell für dieses jährliche Ereignis auch wieder Rudi Schuricke, Heintje, Heino, Roy Black, Andy Borg und andere längst vergessene Interpreten auf modernen Tonträgern wiederbelebt.
Sogar beim Gemüse- und Obsthändler auf dem Wochenmarkt schlägt der mütterliche Feiertag zu Buche. Neue Kartoffeln aus Zypern, Erdbeeren aus Spanien und Spargel aus Beelitz kosten pro Kilo ein paar Euro mehr, als noch vor ein paar Tagen. Nur die braunen und weißen Eier von freilaufenden Hühnern haben ihren Preis gehalten; Muttertag ist nun mal nicht Ostern.
Profitabel ist der zweite Sonntag im Mai auch für die Gastronomie. Restaurants laden zum „Muttertags-Brunch“ und locken mit „Mittagsmenüs für die ganze Familie“ und bieten Kinder- und Seniorenteller an. Söhne, Väter und Opas greifen an diesem Tag schon mal gerne in ihr Portemonnaie, um die mütterlichen Damen auszuführen, weil sie selbst nicht übe die Fähigkeiten eines Kochlöffel schwingenden Alfred Biolek verfügen.
Die „Gelbe Post“ zeigt sich auch kundenorientiert und hat lustige Paketaufkleber eigens für den Muttertagspaketversand kreiert. Zehn Zentimeter im Durchmesser sind sie, haben eine Wölkchenform und sind mit fröhlich flatternden Bienen, allerliebsten Marienkäfern und Maiglöckchen bedruckt. Drei Stück sind auf einer Folie und die kostet zwei Euro.
Auch in den Medien hat der alljährliche Ehrentag für Mütter einen nicht unbeträchtlichen Stellenwert. Chefredakteure sind eben auch Kinder von Müttern.
Zeitschriften stellen das Muttertagsmenü zum Nachkochen vor – inklusive Einkaufszettel – und das Foto vom perfekt gedeckten Tisch ist nett anzuschauen. Wem das passende Geschirr, die geschliffenen Gläser und die festlichen Servietten fehlen, kann dank des Herstellerhinweises auch das noch flugs käuflich erwerben. Die edle Blumendekoration kann über www.blume2000.de bestellt werden.
Regionale Radiosender haben schon vor vielen Wochen ihre Zuhörer aufgefordert, Musikwünsche und Namensgrüße schriftlich einzusenden. Und am Muttertag darf man dann vormittags den Klängen von Willy Schneider lauschen, der „Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren“ hat und vernehmen, welche Ticktackoma von ihren fünf Kindern nebst Schwiegerkindern und elf Enkeln und drei Urenkeln herzlich zum Muttertag gegrüßt wird.
Das ZDF überrascht bereits um zehn Uhr mit der „Muttertags-Show“, die kurz vorm Mittagessen endet. Das erinnert an das Fernsehen der DDR und den ersten Weihnachtsfeiertag, wenn „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“ über den Bildschirm flimmerte und Heinz Quermann und Dagmar Frederic den Versuch unternahmen, der total gestressten Hausfrau musikalisch und witzig die ohnehin knappe Zeit zu verkürzen,
Und weil auch eine Mutter oftmals selbst noch eine eigene Mutter, vielleicht eine Stiefmutter und eine Schwiegermutter hat, kann es vorkommen, dass diese Mütter zum festlichen Muttertagsessen eingeladen werden und auch die entsprechenden Väter mitbringen. Dann soll es auch vorkommen, dass weder Kinder noch Ehemann an diesem Ehrentag Lust haben, die Kocherei und andere anfallende Küchenarbeiten der Mutter abzunehmen. Dann macht die Mutter es eben alleine, wie auch an allen anderen 364 Tagen des Jahres. Und wie auch an allen anderen Tagen des Jahres, ist Mutter abends abgeschlafft und hundemüde und schläft pünktlich um zwanziguhrzwanzig im Fernsehsessel ein. Nun bekommt sie leider die feierliche Muttertagsgala im ZDF nicht mehr mit, obwohl Carmen Nebel die Moderation so wundervoll emotional gestaltet, für alle eingenickten Mütter in ihren Wohnzimmern vor der Glotze.
08.05.2005