Geschniegelt und gebügelt trabt Tigi durch die Wohnung. Schick sieht er aus. Er hat sich den Smoking von meinem Mann geborgt, die weißen Hosenträger und die rote Fliege. Seine Barthaare sind auf Lockenwickler gerollt, seine Krallen geschnitten, akkurat gefeilt und lackiert. Selbst die Wimpern sind getuscht. Warum das Styling? Kommt die Queen zu Besuch oder der Bundespräsident?
„Nein“ raunt er mit heiserer Stimme, „ich warte auf den Paketboten von UPS!“ „Und für den putzt du dich so raus und riechst wie ne ganze Parfümerie? Hast du mit dem Kurier ein Date, Tigi?“ „Ach Quatsch, was redest du da! Ich warte auf den, weil er doch die Tigi-Bücher bringt. Heft Nummer 1 von Tigi & seine Freunde. Das ist doch ein einmaliges Kulturereignis und das Literatur-Highlight des Jahres! Die Leute von der Stadtteilzeitung, vom Kurier und viele andere regionale und überregionale Medien mit Kameras und ganz viele Fans von mir kommen vorbei. Meine Freunde sowieso. Die stehen schon draußen und warten. In die Bücher schreibe ich Widmungen und ich gebe Autogramme und ich werde fotografiert und………..“
„Man Tigi, nun komm mal wieder runter! Ist schon klar, dass du dich auf die kleinen Heftchen freust, aber du bist kein Goethe oder Thomas Mann und das Tigi-Büchlein ist keine Weltliteratur. Auf alle Fälle kein Grund, um völlig abzuheben!“
„Du bist ja ulkig, könntest dich ruhig ein bisschen freuen und stolz müsstest du auf mich sein. Ihr alle beide müsstet euch glücklich schätzen mit mir, dem berühmtesten aller Tigis, zusammenleben zu dürfen! Bestimmt wird mein Leben und meine Abenteuer verfilmt. Wartet mal ab, bald ruft Steven Spielberg aus Hollywood an und dann werdet ihr aber staunen, wenn ich weltberühmt werde. Und jetzt entschuldige mich, ich muss wieder vor die Tür, da wartet die Presse und der UPS-Wagen wird sicherlich gleich kommen!“
In diesem Moment kommt der Paketdienst und bringt zwei große Pakete. Tigi unterschreibt den Empfang und drückt dem Kurierfahrer schmatzend einen Knutscher auf die Wange, der vor Schreck ganz rot anläuft, blitzschnell in sein Auto springt und in einer Staubwolke verschwindet.
Karl und Emil schleppen die schweren Pakete in den Hausflur und da steht Mathilda, die Spechtdame, bereit, um mit ihrem spitzen Schnabel beim Öffnen zu helfen. Leo und Korbi nehmen einige Stapel von den kleinen gelben Heftchen aus den Kartons und stopfen sie in Davids Satteltaschen und dann geht es ab nach draußen zur wartenden Meute. Flitzpiepe und Helmut sind fürs Verteilen zuständig und damit fangen sie auch unmittelbar an.
Tigi hat schon seinen Griffel in der Hand, um mit dem Signieren zu beginnen. Völlig aufgeregt ist unser Felltier, hoppelt von einem Bein aufs andere und unser sonst so freches Großmaul ist mit dieser Situation völlig überfordert.
„Könnt ihr mal kommen und mir helfen? Ich kann nicht mehr schreiben, ich weiß nicht, was ich den Journalisten antworten soll und aufs Klo muss ich auch ganz nötig und ich habe schrecklichen Durst….!“ Schon ist W. hilfreich an Tigis Seite, signiert die Bücher, steht Rede und Antwort auf die vielen Fragen der Anwesenden und kümmert sich auch sonst um alles und Tigis Freunde helfen ihm, wo immer sie können.
Der völlig geschaffte Tigi hingegen relaxt fletzend im Stresslessssessel, schlürft literweise Apfelsaft, knabbert Schokokekse und krümelt wie ein Weltmeister.
Nach einer ganzen Weile erscheint W. auf der Bildfläche. „Na, haste alles erledigt?“ fragt Tigi, der sich wieder ganz gut erholt hat. „Hast dich gar nicht mal doof angestellt und du hast mich richtig gut vertreten. Jetzt kannst du noch ne Presseerklärung schreiben, kennst dich mit solchen Sachen ja aus. Mach mal, ich lese sie dann und sag dir, ob sie okay ist. Danach schickst du sie an die Zeitungen und Sender – an die, die nicht hier waren. Was hältst du denn davon, wenn du generell mein Pressesprecher und Assistent wirst? Ich sag dir dann immer, was du machen sollst…….“
„Moment mal Tigi“ unterbricht W. ihn massiv. „Was redest du denn da für dummes Zeug – ich bin doch nicht dein Pressesprecher! Du wolltest das Buch und nun sieh auch zu, wie du es verkaufst…..!“
Ziemlich sauer stapft W. aus dem Zimmer und die Tür hat er auch schon mal leiser geschlossen. Verblüfft schaut Tigi ihm hinterher. „Was hat er denn bloß? Hab ich was Falsches gesagt?“ fragt er und kullert mit seinen bernsteinfarbenen Augen.
Eine Stunde später haben sich die Gemüter ringsherum wieder beruhigt und alle Akteure des heutigen Tages sitzen gemütlich am großen Tisch, essen Eis und Tigi ist der Held des Tages und W. natürlich sein allerbester Freund und Kumpel!